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Designkritik an den neuen Niederflurbussen der BVAG

Verkehrsclub Deutschland (VCD),
Kreisverband Wolfenbüttel,
05/1994 - 05/1996; von Dipl. Des. Diotima Piontkowski und Stefan Brix


Ein NF-Bus vor der stilisierten Silouette Braunschweigs
(aus der Seite der Elektronischen-Fahrplan-Auskunft (EFA) der BVAG)

Einleitung

Diese Kritik an Omnibussen bezieht sich in erster Linie auf die von der Braunschweiger Verkehrs AG eingesetzten 100% Niederflur-Typen von MAN. Diese Fahrzeuge stellen in vielen Punkten die Spitze der heute verfügbaren Technik dar, so daß hier die Kritik besonders sinnvoll erscheint. Einige Kritikpunkte gelten aber sicher völlig unabhängig vom Typ des speziellen Busses und befassen sich mit konzeptionellen Fragen oder auch abgetrennt betrachtbaren Einzelbaugruppen.

Wenn immer in dieser Abhandlung vom Verhalten der Fahrgäste die Rede ist, beruht dies auf tatsächlichen Beobachtungen von signifikant wiederholt auftretenden Situationen.

Die vorgeschlagenen Lösungsansätze erheben keinen Anspruch auf unbedingte Gültigkeit und stellen nur eine von vielen Möglichkeiten dar. Oft helfen die Lösungsansäetze aber, das ursprüngliche Problem noch genauer zu beschreiben.

Türen

Kritikpunkt: Bauart

Bei Niederflurbussen, und bei Bussen überhaupt, ist es eine Zumutung, daß die Türen nach innen öffnen. Dadurch wird eine Festhaltemöglichkeit ausschließlich an den beweglichen Türen gegeben und die Tür überstreicht bei ihrer Bewegung Raum, der zu Spitzenzeiten als Stehplatz genutzt wird. Außerdem ist die ästhetische Anmutung der evtl. verschmutzten Außenseite der Tür, die in den Innenraum geschwenkt wird, dürftig.

Lösungsansatz

Schiebtüren oder Schwenk-Schiebtüren einsetzen, die flach an der Außenwand anliegen. U- und Stadtbahnen zeigen entsprechende Lösungen mit hohem Sicherheitsstandard auf.

Kritikpunkt: Öffnungsgeschwindigkeit und -verhalten

Mit Einführung der Niederflurtechnik wurden die Türen auf elektrischen statt pneumatischen Antrieb umgestellt. Die elektrische betriebenen Türen öffnen zu langsam und zu ungleichmäßig.

Kritikpunkt: Bedienung

Die heutige Türbedienung ist undurchschaubar und führt zu häufigen Konflikten von Fahrer und Fahrgast. Nach einer Umbauaktion (durch die BVAG? ca. 1991?) ist der Zustand geradezu verheerend: Bahnen und Busse glänzen durch inkonsistente, unterschiedlichen Konzepten folgende Bedienung, die innerhalb von Gelenkbussen wiederum neuen Regeln folgt, die der gelegentliche Benutzer praktisch nicht lernen, geschweige denn vorhersagen kann:

In Bahnen (außer in den neuen Niederflurbahnen!) sind alle Türen vom Fahrgast bedienbar, wenn eine Freigabe durch den Fahrer erfolgt. Ein Haltewunsch führt zum automatischen Öffnen der entsprechenden Tür, sobald die Freigabe erfolgt, ohne daß ein weiterer Bedienschritt auszuführen wäre. Alle Türen sind mit Tastern auch von Außen ausgestattet und schließen (wenn sie nicht explizit vom Fahrer geöffnet wurden) automatisch.

In Solobussen obliegt das Öffnen und Schließen der Türen allein dem Fahrpersonal.

In Gelenkbussen öffnen Türen 1 und 2 durch das Fahrpersonal und Tür 3 ausschließlich durch den Fahrgast (nach einer Freigabe des Fahrers). Tür 3 schließt automatisch. Vor dem Umbau verhielten sich Tür 2 und 3 identisch und waren vom Fahrer beeinflußbar. Besondere Kritik verdient hier, daß der Fahrer Tür 3 nicht beeinflussen kann. Selbst wenn er merkt, daß ein Fahrgast offenbar durch die Türautomatik (die die Bedingungen für das Schließen nicht immer zuverlässig diagnostiziert) in Schwierigkeiten gerät, kann er ihm nicht durch einen eindeutigen Befehl an die Tür zur Hilfe kommen. Eine Türautomatik, die lediglich die Tür schließt und den Fahrgast allenfalls kurz einklemmen und dann wieder öffnen würde, wäre an sich unproblematisch. Dadurch daß die Türen aber nach innen öffnen und gleichzeitig die Haltegriffe bieten, wird gerade denjenigen Fahrgästen, die langsam einsteigen (eben weil sie Haltegriffe benötigen) der Halt entzogen.

Die haptische Qualität der Bedienelemente außen am Bus ist ungenügend. Das zeigt übrigens auch ein Hinweis der Hannoverschen ÜSTRA, der lautet: "Die Annahme, bei den neuen Tastern an Bussen und Bahnen handelte es sich um Sensortasten ist falsch! - Sie müssen die Schaltfläche ca. 1,5 mm weit eindrücken!". Deutlicher kann man das Versagen des Designs kaum benennen. Wenn solche Hinweise offensichtlich für nötig befunden wurden, muß das Problem schon ausgesprochen deutlich zu Tage getreten sein.

Lösungsansatz

Der Fahrgast sollte die maximale Kontrolle über die Türen haben, der Fahrer entscheidet lediglich über den Modus, ob eine Haltestellensituation vorliegt oder nicht. Auch sollen die Türen nicht unterschiedlich bedient werden müssen. Das heißt, alle Türen haben Bedienelemente zum Öffnen sowohl innen als auch außen. Diese Bedienelemente sollten türgriffähnliche Hebel sein, wie sie in Bahnen zum Einsatz kommen, und sie sollten an der Tür selbst angebracht sein (es wird hier von Schiebetüren ausgegangen). Bereits beschaffte Fahrzeuge sollten mit durch Blinklicht beleuchtete Drucktaster ausgerüstet werden, deren Bedienung eine deutlich fühlbare Rückkopplung liefert.

Der Fahrgast öffnet sich die Tür selbst (obwohl dies meist nicht extra nötig sein wird, wenn der nächste Verbesserungsvorschlag befolgt würde), falls der Fahrer den Modus "Haltestelle" ausgelöst hat. Der Bus wird dabei gebremst gehalten, so daß ein Losfahren nicht möglich ist (für Notfälle muß es eine Möglichkeit geben, dies auszuschalten). Der Fahrer hat zusätzlich manuelle Kontrolle über die Türen, so daß er sie explizit öffnen oder schließen kann, normalerweise wird er jedoch nur den Modus "Fahrt" wählen und die Türen schließen sich nach einem Warnsignal und bei freier Tür automatisch. Ob zur Verkürzung des Haltestellenaufenthalts des Fahrzeugs (und besseren Bedingungen für das Innenraumklima bei kalter Witterung) ein dauerndes automatisches Schließen der Türen durch eine Zeitkonstante sinnvoll ist, muß einem Versuch vorbehalten bleiben.

Haltewunsch

Verbesserungsvorschlag

Eine weitere Erleichterung für den Fahrgast, wäre eine Kopplung von Haltewunsch- und Türöffnungsfunktion: Wird ein Haltewunschtaster betätigt, öffnet an der nächsten Haltestelle automatisch die nächstgelegene Tür, ohne zusätzliche Bedienerfordernis. Ist unklar, zu welcher Tür der Fahrgast gehen wird, öffnen die beiden nächstgelegen Türen. In den Straßenbahen in BS ist dies bereits seit Jahren (allerdings nur durch die sparsame Ausstattung mit Haltewunschtastern) gegeben.

Fenster

Kritikpunkte

Die Kippfenster, deren Bedienung in der Hand des Fahrgastes liegt, schließen unzumutbar laut. Da Fahrgäste die Fenster meist nachlässig zuklappen, sind andere nahesitzende Fahrgäste durch den plötzlichen, lauten Knall erheblich belästigt.

Dachluken

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Die Kontrolle über die Dachluken gehört eindeutig dem Fahrgast, keinesfalls dem Fahrer. Nur der Fahrgast merkt rechtzeitig und damit komforterhaltend, wann Dachluken zu öffnen und zu schließen sind. Die manuellen Betätigungselemente sollten vorn und hinten an der Luke angebracht sein, daß ein Aufdrücken bzw. Zuziehen der Luke ohne die Verdrehung des Handgelenks möglich ist. Besser noch wäre eine halbautomatische Betätigung der Dachluken durch den Fahrgast.

Den derzeitigen Höhepunkt schlechter Bedienbarkeit stellen die Dachluken im Anhänger der Gelenkbusse des Jahrgangs '96 dar. Hier wurde ein Handrad eingebaut, das durch Drehung die Luke vorn, hinten, beidseitig aufstellen kann. Aus undurchsichtigen Gründen muß aber eine Reihenfolge der einzelnen Stellungen eingehalten werden. Die Bedienung ist also modal und hängt von der jeweiligen Stellung der Luke ab. Es ist immer der Zyklus "geschlossen - vorn offen - hinten offen - beidseitig offen - geschlossen" einzuhalten. Das ganze ist außerdem sehr kraftaufwendig zu bedienen und die Bewegungen der Hand und der Luke stehen in keiner Beziehung. Praktisch keinem beobachteten Fahrgast gelang die Bedienung der Dachluke (wobei unklar bleibt, wieviele ob der Undurchsichtigkeit des Vorgangs von vorherein von einem Versuch absahen).

Letzlich bleibt als einzige ernstzunehmende Lösung nur eine halbautomatischen Bedienung durch den Fahrgast als Lösung akzeptabel: Ein deutlich beschrifteter (Dreh?)Schalter an einem der Holme in der Nähe der jeweiligen Luke sollte jegliche Bedienproblematik lösen. Wenn der Schalter hinreichend sichbar angebracht ist, wird sich auch der Mißbrauch durch "Störenfriede" in Grenzen halten. Dem Fahrer sollten die Bedienelemente auch zur Verfügung stehen, so daß auch er seinen Platz nicht verlassen muß, um die Dachluken zu öffnen oder zu schließen. Hier kann auch eine Art Hauptschalter vorgesehen werden.

Daß die Dachluken endlich auch als potentieller Notausstieg erkannt wurden ist, erfreulich, doch scheint der Aufwand für den Mechanismus sowohl viel zu aufwendig als auch anfällig gegen mißbräuchliche Bedienung. Eine überdenkenswerte Alternative wäre der Einbau von Glasdachluken, die im Notfall mit einem Hammer zertrümmert werden. Eine Gefährdung sollte nicht auftreten, da die Dachluken ohnehin nur bei Seitenlage des Busses sinnvoll als Ausstieg bentzt werden, so daß die Notwendigkeit der Zerstörung der Scheibe über Kopf ausgeschlossen erscheint. Die ästhetische Qualitität von Glasdachluken könnte außerordentlich hoch sein, wenn das kleine Problem der Reinigung zufriedenstellend gelöst werden kann.

Heizung?

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Die Heizung gehört zur Zeit nicht zu den in der Hand des Fahrgastes liegenden Möglichkeiten, das Wohlbefinden zu steigern. Eine thermostatische Regelung könnte sinnvoll sein, wichtig ist jedoch eine maximale Unabhängigkeit von der Heizung für den Fahrer , da die Fahrgäste meist dicker bkleidet sind, während der Fahrer an seinem Arbeitsplatz relativ leichte Kleidung bevorzugt. Dies darf nicht der Anlaß zu Streitfragen hinsichtlich der Klimatisierung des Busses sein.

Fußbodenmarkierung

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Erfreulich ist die Ausstattung der neuen Bussen mit gelben Leisten an den Podestkanten, doch wurde deutlich des guten zuviel getan: gelbe Kanten sollten nur dort angebracht werden, wo sie auch überstiegen werden müssen. Eine Anbringung an den Kanten von Radkästen usw. wertet ihre Bedeutung und Sicherheitswirkung erheblich ab.

Haltestangen und Griffe (Vis-à-vis-Gruppe)

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Die Regel der BVAG, Busse an jeder zweiten Sitzreihe (einer Seite) mit Haltestangen auszurüsten, führt zur absurden Situation, daß an den Vis-à-vis-Gruppen Haltestangen fehlen, da diese Sitzgruppen offenbar als gewöhlich Reihen gezählt wurden. Da aber sozusagen eine Sitzlehne mit Haltestange in der Mitte der Gruppe fehlt, kommt es immer wieder zu gefährlich Situationen, da Fahrgäste vergeblich nach eine Möglichkeit suchen, sich festzuhalten.

Die Griffe an den Fensterseiten (eine Art "Badewannengriff") sind von der Orientierung falsch und viel zu tief angebracht. Sie gehören senkrecht an den Holm zwischen den Fenstern knapp unter Schulterhöhe eines sitzenden Fahrgastes.

Radkästen (Vis-à-vis-Gruppe)

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Die ohne Einschränkung erfreuliche Einführung der Niederflurtechnik führt durch hohe Radkästen zu einem relativ begrenztem Fußraum in der Vis-à-vis-Gruppe. Besonders von jüngeren, uneinsichtigen Fahrgästen wird daher eine Stellung der Füße auf dem gegenüberliegenden Polster der Sitzkante eingenommen. Dies führt zur unnötigen Verschmutzung derselben und wirkt dadurch zurück auf das Image des ÖPNV. Eine einfache Abänderung des Radkastens mit einer Anschrägung unterhalb der Sitzkante würde dieses Problem lösen, da die Fahrgäste praktisch von selbst von der neuen Ablagemöglichkeit der Füße Gebrauch machen würden.

Stehplätze (Gelenk)

Kritikpunkte

Für den Gelenkbereich der neuen Niderflurbusse stellen sich zwei Fragen: zum einen ist zu überlegen, ob nicht wieder zwei längs angeordnete Sitzbänke (wie in den 83er Modellen) eingebaut werden sollten, zum anderen muß die labile Aufhängung des heutigen Gelenkrahmens kritisiert werden. War bisher der Rahmen mit dem Zugfahrzeug starr gekoppelt, schwingt er heute nur durch Federelemente gehalten, zwischen Zugfahrzeug und Anhänger hin und her. Diese Bewegung der Haltestangen und der voluminösen Wände, die den Faltenbalg schützen sollen, ist für den Fahrgast völlig unzumutbar. Es widerspricht seinen Erwartungen, an Haltegriffen auch tatsächlich Halt zu finden. Während der zahlreichen Beschleunigungs- und Bremsvorgänge schwankt er haltlos hin- und her.

Lösungsansatz

Befestigung des Gelenkrahmens am Zugfahrzeug

Rückenlehne (Rollstuhl)

[noch zu ergänzen]

Entwerter

Kritikpunkte

Entwerter führen zu Stauungen und verlängerten Haltezeiten, ohne daß diese Zeiten Nutzen für Fahrgast und Fahrer brächten.

Lösungsansätze

Aus gestalterischer Sicht sind zwar automatische oder zahlungsfreie Lösungen denkbar, doch deren politische bzw. wirtschaftliche Durchsetzbarkeit darf zunächst angezweifelt werden.

Infokästen

Kritikpunkte / Lösungsansätze

Die Infokästen stellen eine erhebliche Gefährdung durch ihre Scharfkantigkeit und Anbringung im Kopfbereich dar.

Infokästen anders gestalten (noch nicht ausgearbeitet)

Haltestellenanzeige (Fahrer)

Kritikpunkte

Die äußerst sinnvolle Haltestellenanzeige und -ansage wird derzeit vom Fahrer von Haltestelle zu Haltestelle weitergeschaltet. Dies stellt eine zusätzliche Belastung des Fahpersonals dar und führt zu häufigen "Fehlanzeigen", die die Qualität des Busfahren allenfalls durch die Belustigung der Fahrgäste steigert, keinesfalls aber zum Vertrauen in den ÖPNV beiträgt.

Lösungsansatz

Es ist ein Leichtes, die Haltestellenanzeige (ohne Infrastruktur!) zu automatisieren, indem z. B. ein Wegstreckenzähler bei entsprechender Position des Busses auf der Fahrtstrecke einen Impuls für das Weiterschalten auslöst. Es stellt kein Problem dar, diese Punkte zu speichern, da ohnehin für jede Fahrtlinie ein besonderes Programm vorhanden ist. Bei Umleitungen in der Fahrtstrecke müßte das System entsprechend an einer beliebigen Haltestelle durch Tastendruck neu synchronisiert werden können.

Bedienung (Kneeling)

Kritikpunkte / Verbesserungsvorschläge

Das Fahrpersonal macht aus Zeitgründen noch zu selten Gebrauch von der pneumatischen Absenkfunktion des Busses. Diese Funktion sollte durch schnelleres Entlüften der Federung bis an die Grenze des für den Fahrgast Angenehmen beschleunigt werden, da nur so der Gebrauch dieser sinnvollen Zusatzeinrichtung akzeptiert wird.


Stand: Mai 1996. © VCD KV Wolfenbüttel
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